Passiv-aggressives Verhalten – was ist das eigentlich?
Per Definition ist es:
unreifes Verhalten,
ein tiefgreifendes Muster negativer Einstellungen,
passiver Widerstand gegenüber Forderungen nach angemessener Leistung.
Den Begriff soll der US-amerikanische Arzt und Psychiater Colonel William Menninger im Zweiten Weltkrieg geprägt haben, als er sah, wie Soldaten Befehle indirekt verweigerten, indem sie so taten, als hätten sie sie nicht verstanden oder vergessen. Stattdessen äußerten sie Ironie oder Sarkasmus und lästerten über die Vorgesetzten, wenn diese das nicht mitbekamen.
Folgendes ist beobachtbar:
Meiden direkter Konfrontation:
- „alles gut“, „wie du willst“, obwohl Ärger da ist
- Vordergründige Ich-Botschaft, die jedoch einen Vorwurf enthält: „Oh, schon so spät. Ich hoffe, ich schaffe meinen Anschlusstermin jetzt noch.“
- Zu spät kommen und so etwas sabotieren
- Sich dumm stellen: „ach? War das besprochen?“
- Überhören von Bitten und Fragen
Unfähigkeit, Kritik sachlich zu äußern oder ehrlich zu sagen, dass einen etwas stört, gepaart mit dem inneren Zwang, das doch irgendwie loszuwerden:
- Vordergründig als Komplimente getarnte Aussagen enthalten Kritik: „Deine Kinder sind wirklich lieb, dafür, dass sie ja schon viel durchgemacht haben mit eurer Trennung und so.“ „Das ist ein mutiges Kleid, das du da anhast.“
- Kränkendes wird mit Lächeln und mit freundlichem Ton vorgebracht: „Ach, gibt’s euch auch noch?“ = „Angry smile“ – Verhaltenssignale passen nicht zueinander
- Verletzende Aussage wird rasch als „nur Spaß!“ hingestellt
Passiv-aggressives Verhalten ist eine Form der Manipulation. Dabei ist nicht jedes manipulative Verhalten passiv-aggressiv.
Manipulatives Verhalten zeigen zumeist Menschen mit starkem Macher, wenn sie in den Stress geraten. Dahinter steckt das unerfüllte Bedürfnis danach, dass etwas passiert, dass es voran geht – also Langeweile und Genervtheit „Keiner packt das hier“.
Auch Menschen mit Rebellen-Energie können sich manipulativ verhalten. Dahinter steckt das unerfüllte Bedürfnis, „sein Ding“ machen zu können (Autonomiebedürfnis), akzeptiert zu werden und die eigenen Grenzen respektiert zu sehen.
Personen, die sich im Distress passiv-aggressiv verhalten, haben immer auch Empathiker-Energie. Sie wünschen sich, so, wie sie sind, anerkannt zu werden, gemocht zu werden. Das „Passive“ in ihrem Kommunikationsverhalten ist das Lächeln, das vordergründige Kompliment, das Abbitte leistende „nur Spaß!“, das beschwichtigende „alles gut“, die vordergründige Ich-Botschaft. Es ist der unklare Umgang mit Aufträgen und Forderungen, das sich-klein-machen und das Dummchen spielen. Es ist der Versuch, trotz negativer Vibes und negativer Botschaft noch irgendwie ein „people-pleaser“ zu sein.
Und erstaunlich oft sickert die Zweideutigkeit der Botschaft langsam ein. Die Erkenntnis, was da gerade lief und der berechtigte Ärger darüber kommt manchmal erst, wenn die passiv-aggressive Person uns schon den Rücken gekehrt hat.
Beispiele:
Du kritisierst mich. Ich reagiere…
Manipulativ: „Du bist aber empfindlich.“
Aggressiv: „Stell dich nicht so an.“
Passiv-aggressiv: „Warum bist du denn so wütend?“
Ich habe etwas gesagt, was bei dir Ärger ausgelöst hat. Ich reagiere auf deinen Ärger…
Manipulativ: „Hab ich nie so gesagt.“
Aggressiv: „Dreh mir nicht das Wort im Mund rum.“
Passiv-aggressiv: „War ja nur Spaß.“
Du machst einen Vorschlag, mit dem ich nicht einverstanden bin. Ich reagiere…
Manipulativ: „Gerade von dir hätte ich das nicht erwartet.“
Aggressiv: „Nee, das ist Mist.“
Passiv-aggressiv: „Wie du meinst… mir egal.“
Von offen aggressivem Verhalten gilt es sich klar abzugrenzen.
Manipulativem Verhalten begegnet man am besten mit einer direktiven Ansage nach dem Motto: „Hör auf damit.“ – „Komm, wir gehen was trinken und reden Klartext, weil du mir wichtig bist.“
Das befriedigt das Bedürfnis nach Aufregung, Kontakt, Akzeptanz und Autonomie.
Wer sich passiv-aggressiv verhält, der kann noch eine stärkere Zusage brauchen: „Komm, ich mach mal einen Kaffee für dich und mich. Ich mag dich und würde gerne wissen, was dich bedrückt.“ Das wäre ein Angebot an die Empathiker-Energie. Es kann immer nur eine Einladung sein.
Erwachsen kommunizieren, das heißt: ich kann solche Einladungen formulieren und aussprechen. Und ich ziehe es mir nicht an, wenn sie nicht angenommen werden.
Leicht ist das nicht, aber möglich und erlernbar. Dabei hilft das Process Communication Model®.
Von Charlotte Zierau